Eine Entscheidung mit Bauch, Herz und Verstand
Ein persönlicher Beitrag zum Rennsteiglauf 2025
Heute ist Rennsteiglauf.
Ein Tag, der in meinem Kalender sonst fett markiert ist. Ein Tag, der nach Tradition riecht – nach Matsch, Schweiß, Höhenmetern und Gänsehautmomenten im Ziel von Schmiedefeld. Und heute? Heute bleibe ich zu Hause. Zum ersten Mal seit neun Jahren.
Das war keine leichte Entscheidung. Wer mich kennt, weiß, wie sehr ich diesen Lauf liebe. Nicht nur als Event, sondern als Jahresrhythmus, als Fixpunkt, als Teil meiner Identität. Marathonlaufen – das ist für mich weit mehr als sportliche Betätigung. Es ist eine Form der Meditation in Bewegung, eine Rückverbindung mit dem Körper, dem Wald, dem Leben.
Doch in den letzten Tagen meldete sich mein Körper mit einer Klarheit, die ich nicht ignorieren konnte:
Muskelverspannungen im Rücken, im Nacken und bis in den Halsbereich machten selbst tiefes Durchatmen zu einer schmerzhaften Angelegenheit. Kein Ziehen, kein Zwicken – sondern ein beständiger, lähmender Druck. Laufen in diesem Zustand? Unvorstellbar.
Ich habe es natürlich zuerst mit Hausmitteln versucht. Wärmesalbe, Magnesiumöl, sanfte Dehnungen, ein heißes Bad. Für einen Moment schien es besser – doch die Erleichterung war flüchtig, der Schmerz kam zurück wie eine Welle. Und so stand ich vor der Frage: Kopf durch die Wand und starten – oder auf den Körper hören und pausieren?
Vielleicht mag es Läufer geben, die meinen: DNF ist besser als DNS. Also: „Did Not Finish“ ist ehrenvoller als „Did Not Start“.
Aber ist das wirklich so?
Für mich heute nicht. Ich habe mich bewusst für ein DNS entschieden. Nicht aus Schwäche – sondern aus Respekt. Respekt vor meinem Körper, der gerade etwas anderes braucht als Wettkampf. Respekt vor den vielen Kilometern, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe, und vor den vielen, die hoffentlich noch kommen.
Und auch, weil ich weiß, was ein erzwungener DNF mit dem Kopf macht. Die Enttäuschung, die Scham, das Gefühl von Versagen – auch wenn sie unbegründet sind, nisten sich ein. Nein, das wollte ich mir – und dem Lauf – nicht antun. Denn der Rennsteiglauf ist für mich kein Ort des Müssens, sondern des Dürfens. Und heute darf ich eben mal nicht.
Natürlich schwingt Wehmut mit. Während ich diese Zeilen schreibe, höre ich den Wind durch die Bäume rauschen und stelle mir vor, wie gerade Tausende von Läufern in Neuhaus starten, mit klopfendem Herzen, voller Vorfreude. Ich wünsche euch allen einen großartigen Lauf, eine gute Zeit mit euch selbst, den anderen und dem Wald.
Für mich heißt es stattdessen: regenerieren. Hinhören. Geduldig sein. Und mir erlauben, dass auch das Nicht-Laufen Teil des Läuferlebens ist. Es gehört genauso dazu wie Tempoläufe, Wettkämpfe oder der Zieleinlauf mit Tränen in den Augen.
Vielleicht war genau dieser Moment ein kleines Lehrstück:
Nicht jeder Verzicht ist eine Niederlage. Manchmal ist er ein stiller Sieg.
In diesem Sinne: DNS – Did Not Start, aber dafür mit klarem Kopf, offener Brust und einem Ziel vor Augen:
Bald wieder beschwerdefrei durch die Wälder Thüringens zu joggen – Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug.
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